Freitag, 20. Mai 2011

3 Wochen Pampa

Die letzten drei Wochen habe ich an der ruandisch-burundischen Grenze in einer sagen wir mal doerflichen Gegend verbracht. Aus Kigali, das am Ende doch fast den deutschen Luxus bieten kann, wollte ich einfach mal raus um eine andere Seite Ruandas naeher kennenzulernen.

Ein anderer Grund war mein Wunsch nach Abwechslung von der Arbeit am Computer. Die Abwechslung habe ich in einem neuen Taetigkeitsfeld meiner Organisation gefunden: Wir wollen ein Projekt zur Verbreitung von Energy saving stoves im gleichen Sektor starten, in den auch unsere Fahrraeder wandern. Bevor man ein Projekt startet und sich um Mittel bewirbt, muss natuerlich die Situation vor Ort gecheckt werden und genau das war meine Aufgabe. Ich habe Frageboegen zu Kochstellen, Gewohnheiten, Problemen und Willen zur Veränderung erstellt, mit meinem Chef auf Kinyarwanda uebersetzt und sie auf dem Dorf in einer großen Frauen-kooperative verteilt. Dann habe ich die Frauen mit einem Motorrad abgeklappert, Fotos von Kochstellen gemacht und  Kochtoepfe ausgemessen. Am Ende besuchte ich dann Toepfer, die zur Zeit meist Kochtoepfe herstellen, aber auch potenzielle Produkteure von Energy saving stoves sind. Der Plan ist naemlich Menschen, die Energy saving stoves im Nachbarsektor herstellen, fuer 3 Tage kommen zu lassen, um ein Training fuer jene Toepfer zu veranstalten. Das wuerde auf der einen Seite Jobs generieren und auf der anderen Seite Rodungen eindaemmen, da die Oefen nur 50% des Feuerholzes benoetigen. Alle Rohstoffe, die zur Herstellung noetig sind, sind vorhanden. Aus den Frageboegen ging ausserdem hervor, dass insbesondere die Rauchverschmutzung ein Gesundheitsproblem fuer Viele darstellt. Nach einem Bericht des Infrastrukturministeriums, das wir vorher besuchten, reduzieren einige Modelle die Rauchentstehung um 80%. Auch die Sektorchefin zeigte sich an einem Projekt interessiert. Das Ziel der Regierung ist es ohnehin von derzeitig 52% (von denen aber bestimmt die Haelfte zerstoert sind) auf 100% Verbreitung von "efficient stoves" zu kommen. Jetzt bin ich erstmal mit der Auswertung und dem Abschlussbericht beschaeftigt.

Das ganze hat mir viel Spass gemacht, hat aber natuerlich nur einen kleinen Teil meiner Zeit beansprucht.
Vormittags habe ich Kinder in einer Grundschule in Englisch und Mathe unterrichtet. Da die Amtssprache 2008 auf Englisch umgestellt wurde, wird jetzt der ganze Schulunterricht in Englisch durchgefuehrt, obwohl das die meisten Lehrer eher schlecht als recht beherschen. Das fuehrte mich zu meiner zweiten Aufgabe: Lehrern Englisch beibringen! Nachdem die Lehrer von morgens um 7 Uhr bis nachmittags um 5 durchgaengig 70 Schueler-klassen unterrichtet hatten, durften sie sich wieder auf die Schulbank setzen und mussten sich meinen Unterricht antun. Trotzdem namen die Lehrer, mit denen ich privat auch super auskam, das Angebot dankend an. Dafuer gabs freies Mittagessen (immer US-Aid Maismehlpampe und Bohnen) und Milch.

Auch Samstags wurde die Schule genutzt: Dann kamen etwa 300 Waisenkinder, die von der christlichen Organisation "Compassion" gesponsort werden, in die Schule um eine Art Nachhilfe bzw. Bibelmoralunterricht zu bekommen. Auch ich sollte zwei Einheiten uebernehmen. "Spiritual" und "Physical" streng nach vorgefertigten Unterrichtsplaenen aus einem dicken Buch. Im Bereich Spiritual gings um Bibelinterpretation, im Bereich Physical um Aidsaufklaerung. Ich musste dafuer kaempfen um Kondome als Mittel zur Vermeidung von Aidsuebertragungen nennen zu duerfen! Die Stunde sollte urspruenglich nur mittels  Panikmache fuer die Enthaltsamkeit bis zur Ehe werben.

An einem Tag kam auch mein Chef zu Besuch um mit mir, die aus den Niederlanden gefordete, Evaluation unseres Fahrradprojektes durchzufuehren. Hiess im Klartext wieder Frageboegen ausfuellen.

Ich wohnte beim Pastor des Dorfes. Ein sehr interessanter Typ, der (verbotenerweise) nebenher in Kigali studiert. Die letzte Woche habe ich bei einem Typen verbracht, der nahe des Trading Centers des Sektors lebt und dessen Frau super kochen konnte. Alle waren so gastfreundlich, dass sie richtig boese wurden wenn ich mich an irgendwas finanziell beteiligen wollte.

Eigentlich sollte ich noch mit einem Fahrradmechaniker zusammenarbeiten, den ich bei einem vergangenem Workshop vor Ort kennengelernt habe. Doch um ihn zu sehen musste ich eine Art Arbeitslager fuer Genozidtaeter besuchen, in dem er statt eine Gefaengnisstrafe abzusitzen als Mechaniker arbeiten musste. Das Gefuehl sich bewusst unter etwa 2000 Moerdern zu befinden war echt beängstigend, auch wenn ueberall Soldaten herumstanden. Die Insassen bekommen Essen, Unterkunft und Unterricht, der die Ideologien der Vergangenheit ausmerzen soll. Aber wenn man in manche Gesichter sieht oder meinen Begleitern zuhoert bekommt man seine Zweifel, ob das in jedem Fall so hinhaut.

Ich versuche mich ja gerade am spottbilligen Motorradfuehrerschein, denn im Juni moechte ich eine Tour durch Ruanda machen. Auf dem Dorf hatte ich oft die Gelegenheit zu ueben, da das Motorrad fuer die reichsten Leute vor Ort das Statussymbol ist und keiner den Lappen kontrolliert. Viele in der Region sind uebrigens mit Grenzschmuggel reich geworden, wurde mir gesagt.

Eine Sache will ich noch loswerden:

Die ruandische Regierung fuehrt zur Zeit ein international sehr umstrittenes Programm namens Nyakanazi durch, von dem ich in der Region viel mitbekommen habe. Ziel ist wie immer die Entwicklung des Landes. Dafuer wurden bis jetzt im ganzen Land 115.000 Strohhuetten abgerissen, da die Regierung ab jetzt nur noch Wellblechdaecher akzeptiert. Begruendet wird das unter anderem mit den Millenium Goals. An die aermsten Familien will die Regierung kostenlos Wellblech ausgeben, was aber zumindest in der Region, wo ich war, oft nicht passiert ist. Oftmals wurden Huetten abgerissen, die nur zum Kochen oder zur Viehhaltung gedacht waren. Ueberall sieht man Häuserruinen. Manche haben sogar gar kein Dach mehr ueberm Kopf.

Es werden ueberall ganze Doerfer mit identischen Häusern hochgezogen, in welche ein Teil der Opfer einziehen darf/muss. Dieses Vorgehen zielt meiner Meinung nach auch darauf ab, die Menschen, die traditionell nicht in groesseren Dorfverbuenden zusammenleben, zusammenzubringen und sich so die Moeglichkeit einer billigeren Elektrifizierung zu eröffnen.

Der Zweck heiligt hier eben die Mittel. Entwicklung wird zum Zwang.

weitere infos:

http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=7201

Bilder gibts spaeter ;-)